Bessere Fragen zur Bedarfsanalyse in der Akquise 

Lesedauer 6 Minuten

Ein bestimmter Typ von Verkäufer 

Ich nenne Sie die „Hallo, darf ich Ihnen etwas verkaufen!“-Vertriebler im B2B. Wahrscheinlich kennen Sie diesen Typ Verkäufer ebenso: diese Menschen rufen bei Ihnen an – vielleicht schreiben Sie Ihnen auch eine Nachricht auf XING oder LinkedIn – und stellen nach der Begrüßung direkt eine ungeprüfte Behauptung auf: „Als Geschäftsführer haben Sie bestimmt wenig Zeit für Fitness, oder?“ Auch ganz beliebt: „Ich höre von Vertriebs-Entscheidern ganz häufig, dass (geratenes Problem, das ich angeblich habe). Können Sie das nachvollziehen?“

Einstudiertes „hard selling“, also der einstudierte Drang zum direkten Vertriebsabschluss. Zeit für die Analyse des Bedarfs? Besitzt leider keinen großen Stellenwert in dieser Form der Akquise.

Aber auch im professionell geführten Verkaufsgespräch schleicht sich der „Hallo, ich möchte Ihnen etwas verkaufen!“ Vertriebler-Typ in den Kopf eines Verkäufers. Ich erkenne dies manchmal bei mir, vielleicht auch Sie an sich selbst: Wenn Sie im Akquise-Gespräch z.B. minutenlang ins pausenlose Reden kommen, wenn Sie einem Ansprechpartner für genauso lange einen Katalog im Detail zeigen oder wenn Sie sich im Nachhinein denken: „Fragen zum Bedarf habe ich dem Mann / der Frau aber kaum eine gestellt. Mist!“

Wie Sie in Erfahrung bringen, was Sie eigentlich verkaufen sollten 

Nehmen wir meine Dienstleistung zum Beispiel: Weiterbildungen für Storytelling im B2B-Vertrieb. Diese Bezeichnung allein lässt sich nicht verkaufen, denn FÜR WELCHEN BEDARF sollen diese Weiterbildungen denn gut sein? 

  • Um Junior Vertriebler in den Verkaufsbasics zu schulen?
  • Um eine greifbare Marketing-Botschaft für ein komplexes Produkt zu erstellen?
  • Um Unternehmen beizubringen im Akquise-Gespräch authentisches Interesse beim Gesprächspartner hervorzurufen?

Bei jedem neuen Akquise-Gespräch ist meine Vermutung genauso gut wie Ihre, da ich am Beginn des Verkaufsgesprächs den Bedarf noch gar nicht kenne. „Hallo, darf ich Ihnen etwas verkaufen?“ funktioniert also nicht. 

Fragen stellen, lautet also das Gebot der Stunde, um in Erfahrung zu bringen, was Sie eigentlich verkaufen sollten. So weit, so gut, aber welche Fragen sollten es denn sein? 

Hier mein Tipp: Fragen Sie solange in systematischer (also: durchdachter) Weise nach, bis Sie zum emotionalen Kernbedarf des Kunden vorgedrungen sind.

 

Bedarf erkennen heißt: auf emotionale Regungen achten

 

„Sie wurden mir als Top-Berater in der Projektbegleitung empfohlen.“ sagt Ihnen ein Ansprechpartner aus einem Unternehmen, emotionsfrei. An einem schlechten Tag langt uns diese Aussage als Bedarfsbekundung und wir beginnen groß und breit über unsere Expertise bei und für Unternehmen zu erzählen. Wirklich wundern tun wir uns über die Emotionslosigkeit in der Aussage des Gesprächspartners erst dann, wenn dieser im Nachgang nichts mehr von sich hören lässt. 

In diesem Fall sind wir nicht zum emotionalen Kernbedarf des Gesprächspartners vorgedrungen. Weiter fragen lautet die Devise. Spielen wir das Beispiel oben ein Stück weiter. Sie könnten auf die Aussage antworten: 

„Super, Projektbegleitung ist tatsächlich seit 13 Jahren mein Thema. Was hat Sie denn bewogen mich heute zu diesem Thema zu kontaktieren?“ 

„Weil ich bei uns wiederholt beobachte: Unsere Projekte haben zu lange Durchlaufzeiten, kosten mehr als geplant und umfassen trotzdem nicht den Umfang, den wir den Kunden eingangs versprochen haben. Die Kunden sind deshalb sauer und unsere Projektteams auch.“

„Was regt Ihre Projektteams denn konkret auf?“

„Das Multitasking: Wir haben die Leitlinie, dass Mitarbeiter stets an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten. Für mich als Führungskraft wird es immer schwieriger, diese Unternehmenshaltung bei den Angestellten zu verteidigen, daher habe ich Sie angeschrieben.“

Und da haben wir den Kernbedarf des Gesprächspartners. Natürlich dauert es in einem realen Gespräch länger, bis Sie zu diesem Punkt kommen, hier soll es um die Grundaussage gehen: Fragen Sie sich mit gezielten Fragen beim möglichen Neukunden durch, bis Sie zu seinem Kernbedarf vorgestoßen sind. Wenn Sie merken: „Bei diesem Thema wird mein Gegenüber emotional.“, dann wissen Sie außerdem, dass Sie Ihre Lösung an diesem inhaltlichen Punkt viel leichter verkaufen können.

Vergleichen Sie auch mal, was Sie in beiden Beispielen eigentlich verkaufen würden: Im ersten Beispiel würden Sie großflächig Ihre Expertise als Top-Berater verkaufen, im zweiten Beispiel konkret den emotional besetzten Kernbedarf, denn Sie beim Gesprächspartner ausgemacht haben.

Wusstest Du, dass…

Bild von Jon Tyson on Unsplash

„Kreativität ist der Spaß, den man als Arbeit verkaufen kann.“

Quelle: beruhmte-zitate.de

Andy Warhol

amerikanischer Künstler, Filmemacher und Verleger Qur, https://de.wikipedia.org/wiki/Andy_Warhol

Kundenbedürfnisse zu erkennen durch aufmerksames Zuhören und Fragen sind, wie wir gerade schon gelesen haben, der Schlüssel für einen erfolgreichen Abschluss bzw. Verkauf. Der Kunde will darüberhinaus auch wissen was dich so besonders macht, um genau bei dir zu kaufen. Wir können die Kaufentscheidung des Kunden noch weiter erleichtern, indem wir auch mit unseren Alleinstellungsmerkmalen punkten.

Hierzu gibt es einen interessanten Artikel bei business-netz.com, der sich genau mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat.

Den Kernbedarf in einer Story finden

Schauen Sie nochmal auf die beiden Akquise-Fragen aus dem Beispiel und auf die Antworten. Ihnen wird auffallen: Die Fragen beziehen sich auf Personen: bei der ersten Frage beziehe ich „meine“ Frage auf den Gesprächspartner selbst, bei der zweiten Frage liegt mein Fokus auf den Projektteams. Wenn aber nach Personen gefragt wird, bezieht sich auch die Antwort auf Personen. Im Ergebnis hören Sie von Erfahrungswerten – also vom Rohrmaterial einer jeden Geschichte. Und bei Erfahrungswerten können Sie wesentlich einfacher entscheiden, ob an diesem Thema beim Entscheider „das Herz hängt“.

Im Gegensatz dazu, bleiben Antworten auf abstrakte Akquise-Fragen relativ emotionslos. Typisch ist beispielsweise dieser Ablauf: 

„Sehen Sie in meiner Beratungstätigkeit einen Anknüpfungspunkt an Ihren Projektalltag?“

„Nun, die Prozesse in unseren Projekten sind traditionell in unserem Unternehmen gewachsen. Wir arbeiten mit Multitasking in unseren Projektteams, um sicherzustellen, dass unsere verfügbaren Ressourcen dauerhaft im Einsatz für unsere aktuellen Aufgaben sind. Am Output der Projekte könnten wir aber noch arbeiten, da sehen wir Potential nach oben!“

Tja, was fangen Sie mit Aussagen wie diesen bloß an? Schwer oder, weil Sie erstmal entschlüsseln müssten, was einzelne Wörter eigentlich bedeuten. Ressourcen – meinen „Ressourcen“ tatsächlich Mitarbeiter oder meint die Person damit auch Material wie z.B. Software? Ist der Dauereinsatz dieser „Ressourcen“ jetzt gut oder schlecht? Fragen über Fragen, ohne dass Sie konkreten Bedarf oder Emotion feststellen können.

 

Die Moral von der Geschicht‘ 

Die Moral von der Geschicht‘ lautet: nehmen Sie sich im Vertrieb Zeit bei der Akquise! Es gibt in meinen Augen wenig Grund zur Furcht, dass Sie mit Ihren Fragen den potenziellen Neukunden in die Flucht schlagen, weil sich die Person genervt von Ihnen fühlt. Ich mache die gegenteilige Erfahrung: Menschen schätzen es, dass ich nicht „mit der Brechstange“ versuche ihnen etwas zu verkaufen, sondern erstmal im Detail schauen will, wo denn der wirkliche Bedarf liegt. 

Manchmal finde ich dann sogar einen Bedarf, den ich nicht decken kann – und hier finden Sie meinen finalen Tipp an Sie: Wenn Ihre Lösung nicht auf den gefundenen Bedarfsdeckel passt, danken Sie sich selbst, dass Sie „hartnäckig“ nach dem Kernbedarf gefragt haben. Sie wissen nun: bei diesem Interessenten brauchen Sie nicht weiter verkaufen!

Oliver Grytzmann
info@candid-rhetorics.de

 

Oliver Grytzmann ist Gründer von „Candid Rhetorics“, Vertriebs-Experte und Schauspieler. Sein Ziel ist es zusammen mit seinem Team komplexe Themen aus Vertrieb, Marketing und Projektarbeit durch Storytelling verständlicher zu gestalten und somit Kunden aus dem Mittelstand und Konzernen im Verkauf zu unterstützen.

Wusstest du, dass unser Autor Oliver Grytzmann dieses Thema auch in seinem Podcast behandelt? In dieser Episode spricht er aus anderer Perspektive darüber, warum Fragen in der Akquise so wichtig sind.

Lies auch seinen Blogbeitrag „Klare Kommunikation ist wichtig – überall„.

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