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Alle paar Jahre wieder steht eine Reform des Kaufrechtes an. Durch die Zuständigkeit der EU für den Warenkauf bekommen wir alle paar Jahre eine Richtlinie für den Warenkauf, die Warenkaufrichtlinie. Das Ziel ist, dass innerhalb der EU im wesentlichen gleiche Regeln für den Warenkauf gelten. In Zeit, in denen durch das Internet die Grenzen faktisch weggefallen sind, ein sinnvolles Anliegen – Hand aufs Herz, wer schaut bei einem deutschsprachigen Angebot schon im Impressum nach, woher der Verkäufer kommt. Einen schönen Überblick zu den geplanten Änderungen finden Sie hier: 

Bitte beachten Sie, dass die europäische Richtlinie schon in Kraft ist, die deutsche Umsetzung ist aber noch in Arbeit. Daher steht hinter den Paragraphen immer ein freundliche „E“, für „Entwurf“.

Für den IT-Rechtler ist die Sache mit digitalen Element natürlich besonders interessant. Es ist ein neuer Rechtsbegriff und in der Gesetzesbegründung finden sich als Beispiel das Smartphone. Ein Gegenstand, den man kauft und der regelmäßig Updates braucht. Gleiches dürfte beispielsweise auch für KFZ, neuere Haushaltsgeräte etc. gelten.

Der neue Rechtsbegriff

Der Entwurf des § 475 BGB-E enthält in Abs. 1 Satz 2 eine Definition dieses neuen Rechtsbegriffes: 

Eine Sache mit digitalen Elementen ist eine Sache, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann.

Exkurs: Bedeutung der Änderungen

Die Bundesregierung schätzt, dass es bis 2020 schon 100 Mio. solche Sachen mit digitalen Elemente gibt. Die Schätzung stammt von der BITCOM aus dem Jahr 2015. Jetzt, im März 2021, können wir ja mal nachzählen.

Nach Einschätzung der Bundesregierung sind von der Änderung 155.571 Unternehmen betroffen, die ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) umstellen müssen. Der zeitliche Aufwand zum Umsetzen der Änderung wird auf 45 Minuten bei durchschnittlichen Lohnkosten von 58,80 € geschätzt. Dies sind natürlich Schätzungen die voraussetzen, dass der Unternehmer eine Rechtsabteilung hat, die die eigenen AGB aus dem „ff“ kennt. Beauftragt man statt dessen den Rechtsanwalt seines Vertrauens, der erst einmal die ganze AGB lesen muss, die Änderung entwirft und das Ganze auch dem Mandanten erklären muss, kann man eher von zwei bis drei Stunden zu vielleicht 200 bis 350 €/Stunde ausgehen. Aber was weiß die Bundesregierung vom Rechtsmarkt…

Wusstest Du, dass…

Quelle: lto.de

Am 19. Februar diesen Jahres veröffentlichte die Legal Tribune Online einen sehr interessanten Beitrag zum Thema Ver­brauchs­gü­ter­kauf­richt­linie. Ein Beitrag, der unbedingt gelesen werden sollte. 

Das Leben hat immer mehr Fälle, als der Gesetzgeber sich vorstellen kann. 

Norbert Blum

deutscher Politiker, https://www.cicero.de/kultur/nachruf-norbert-bluem-vermaechtnis

Veränderungen durch den neuen Rechtsbegriff

Die Rechtspflichten für die Sache mit digitalen Elementen fallen in zwei Teile auseinander: Die Pflichten für die Sache und die Pflichten für das digitale Element. Die Rechte und Pflichten der Sache folgen den allgemeinen Regeln. Die Hauptpflicht für das digitale Element ist die Aktualisierungspflicht (auf Deutsch: das Update). 

Der zeitliche Umfang der Aktualisierungspflicht wird Bereitstellungszeitraum genannt. Dieser kann vertraglich geregelt werden, ist jedoch ein Verbraucher Käufer, so muss dieser Zeitraum zumindest so lange sein, wie der Verbraucher… 

„…aufgrund der Art und des Zwecks der Sache und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann, Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich sind, und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. „
§ 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB-E. 

 

In kurz also so lange ein vernünftiger Verbraucher es erwarten kann. Konkrete Beispiele hierzu nennt weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung. Anknüpfungspunkt für die Dauer soll die zu erwartende Lebensdauer des Gerätes sein. 

Tja, jetzt frage ich mich, wie soll sich die bemessen? Aus § 475c BGB-E ergibt sich eine Mindestfrist von zwei Jahren. Ist die zu erwartende Lebensdauer eines Smartphones der Zyklus in dem ein Käufer sich ein neues Smarphone zulegt, dass kann bei einigen Vertragskunden zwei Jahre sein. Oder ist die zu erwartende Lebensdauer so lange, bis das Smartphone buchstäblich auseinander fällt? Da wird man wohl von zehn oder zwanzig Jahren reden können. Mit dieser gesetzlichen Regelung wird dann wohl Richter, Händler und Verbraucher alleine gelassen. 

Im Handel Unternehmer mit Unternehmer kann die Aktualisierungspflicht zeitlich verkürzt werden, gegenüber Verbrauchern nicht. Theoretisch macht es also ein Unterschied ob das Smartphone für den eigenen Betrieb angeschafft wird oder nicht, in der Rechtspraxis aber vermutlich nicht. Denn die Unterscheidung wäre für viele Anbieter zu kompliziert.

Was passiert bei einem Mangel? 

Mängel an der eigentliche Sache laufen nach den normalen Regeln, also typischer Weise zwei Jahre Gewährleistung, zu Beginn des Vertrages eine Beweislastumkehr, Nachbesserungsrecht etc. Mängel am digitalen Element werden im neuen §§ 475c bis 475e BGB-E geregt. Die Regeln zur Sache werden sinngemäß angewendet, statt der zwei Jahre Gewährleistung ist die Frist nun so lange, wie die Aktualisierungspflicht gilt. Die Rechte der Käufer sind die üblichen, also Rücktritt und Schadenersatz. Ist das digitale Element bereits zwei Jahre alt, so hat der Käufer die Beweislast und muss den Mangel nachweisen (§ 477 Abs. 2 BGB-E). Beim Thema Rücktritt ist noch zu beachten, dass eine Nutzungsentschädigung anfallen kann. Nach den allgemeinen Regeln muss sich im Falle eines Rücktritts der Käufer eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Die Sonderregelungen des § 475 Abs. 3 BGB ist nicht anzuwenden, da dieser sich nur auf die „Neulieferung“ bezieht und es diese beim digitalen Element nicht gibt. 

 

Zur Verdeutlichung mal ein Beispiel:

Max Mustermann kauft bei Händler Tim Tüchtig ein Smartphone für 1.000,00 €, die zu erwartende Lebensdauer beträgt zehn Jahre und das Smartphone braucht jedes halbe Jahr ein Update. Nach acht Jahren stellt der Hersteller die Unterstützung ein. Mahnung etc. beim Hersteller und bei Tim Tüchtig bleiben erfolglos. Daraufhin erklärt Max Mustermann den Rücktritt und gibt das Smartphone zurück. Auf die 1.000,00 € Kaufpreis muss er sich nun die Nutzungen für 8 Jahre, also 80% der Lebensdauer anrechnen lassen. Damit beträgt der Wert der Nutzungen 800,00 €. Sein Anspruch sind also 200,00 €

 

Meine Persönliche Wertung

Der Gesetzesentwurf hinterlässt zwiespältige Gefühle. Einerseits ist es gut, dass die diese Dinge endlich einmal im Gesetz geregelt werden sollen. Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob die Regeln auch etwas bringen. Welcher Verbraucher will schon einen vollen Beweis darüber führen, ob ein Update mangelhaft ist. Das Sachverständigengutachten würde vermutlich tausende kosten und wer weiß schon, ob ein Mangel an der Sache selber oder an dem Update liegt. Für einen Praktiker fehlen mir auch die konkreten Anknüpfungspunkte. Man ist fast versucht zu sagen: Gesetzgebung mit dem Prädikat: „rechtsdogmatisch gut“. Aber vielleicht irre mich auch oder es gibt Ergänzungen im Gesetzgebungsverfahren.

Jörg Manthe
RAe Gmerek & Manthe
JManthe@ Gmerek-Manthe.de
 

Der Autor Jörg Manthe ist Fachanwalt für IT-Recht (weitere Schwerpunkte Arbeitsrecht & Compliance) und Partner der Rechtsanwaltskanzlei Gmerek & Manthe in Mainz. Er wird in regelmäßigen Abständen mit Blogbeiträgen zu interessanten juristischen Themen aus dem Bereich IT-Recht und Arbeitsrecht schreiben.

Lies auch seinen Beitrag zum Thema „IT-Recht und Kommunikation“.

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